Tschechisch-Blog zieht um!

Bitte beachten Sie, dass ich hier keinen Artikel mehr poste. Weitere Artikel schreibe ich nur noch im neuen Tschechisch-Blog. Das ist unter http://www.tschechischblog.de erreichbar.

Wackernagelposition

Da die tschechische Sprache stärker als die deutsche flektiert, ist die Abfolge von Satzkonstituenten im Tschechischen lockerer als im Deutschen. Ich schreibe ‚lockerer‘, denn auch Tschechisch unterliegt bestimmten grammatischen Restriktionen, die die Satzstellung starrer machen.

Zu einer dieser Restriktionen gehört, dass die  Enklitika immer in der sogenannten Wackernagelposition stehen. Die Wackernagelposition ist die zweite Position im Satz.

Beispiel: miluji. (dt. Ich liebe Dich.)

Das Pronomen gehört zu den Enklitika und steht daher an der zweiten Position im Satz.

Die zweite Restriktion, die unbedingt beachtet werden muss, betrifft die Abfolge der einzelnen Enklitika in der Wackernagelposition. Fürs Erste ein Beispiel mit nur zwei Enklitika:

mu to řeknu. (dt. Ich sage es ihm.)

Für die Abfolge in einem tschechischen Satz gilt also, dass das Pronomen im Dativ (mu) dem Pronomen im Akkusativ (to) vorangeht.

Adjektive bei Fachbegriffen

Ein grundlegender Unterschied zwischen Sprachen besteht darin, ob die Adjektive den Nomen vorangehen oder ihnen folgen. Im Spanischen folgen die Adjektive den Nomen, im Deutschen und im Tschechischen gehen die Adjektive den Nomen voran. (In den folgenden Beispielen sind Adjektive  hervorgehoben.)

Spanisch: Casa blanca

Deutsch: Weißes Haus

Tschechisch Bílý dům

Im Tschechischen gilt die Regel, dass die Adjektive den Nomen voran gehen nicht uneingeschränkt. Bei Termini ist die Reihenfolge umgekehrt. Zunächst kommt das Nomen und dann folgt das Adjektiv, das das Nomen genauer spezifiziert:

Beispiele:

Kysličník uhličitý (dt. Kohlensäure)

Kočka domácí (dt. Hauskatze)

Nebensätze ohne Konjunktion

Im Deutschen kann man die Konjunktion dass manchmal weglassen und statt dessen eine Infinitiv-zu-Konstruktion bilden:

Ich glaube, dass ich diesen Mann kenne. Ich glaube diesen Mann zu kennen.

Bei manchen Verben kann man auf die dass-Konjunktion auch im Deutschen nicht verzichten:

Ich weiß, dass ich diesen Mann kennen → *Ich weiß diesen Mann zu kennen.

Im Tschechischen existiert eine solche zu-Konstruktion nicht. Die Konjunktion že (dt. dass) muss in allen Fällen verwendet werden:

Myslím, že toho muže znám. (dt. Ich glaube, dass ich diesen Mann kenne.)

Vím, že toho muže znám. (dt. Ich weiß, dass ich diesen Mann kenne.)

Rufen vs. anrufen

Die Verben rufen und anrufen werden im Tschechischen beide mit dem  Wort zavolat übersetzt. Soweit noch einfach. Die Schwierigkeit bei der Anwendung von zavolat liegt allerdings in der richtigen Verwendung seiner Objekte. Die Rektion von zavolat hängt nämlich davon ab, ob man anrufen oder rufen meint.

Rufen

Wenn man jemanden ruft, verlangt das tschechische Verb zavolat – genau wie im Deutschen – ein Objekt im Akkusativ

Beispiel: Zavolej mne! (dt. Rufe mich!)

Das Pronomen mne (bzw. ) steht hier im Akkusativ.

Anrufen

Wenn man jemanden anruft, verlangt das tschechische Verb zavolat – anders als im Deutschen – ein Objekt im Dativ.

Beispiel: Zavolej mi! (dt. Rufe mich an!)

Das Pronomen mi steht hier im Dativ.

Kunstwörter im Tschechischen

Normalerweise erfindet man neue Wörter in der eigenen Sprache nur dann, wenn der Wortschatz für einen Begriff eine Lücke aufweist. Zum Beispiel existiert im Deutschen kein Adjektiv dafür, wenn man sagen möchte, dass man nicht durstig ist.  Das vorgeschlagene Wort sitt hat sich im Sprachgebrauch bis jetzt nicht durchsetzen können.

In der tschechische Sprache  entstanden dennoch zahlreiche neue Wörter für Begriffe, für die es schon ein Wort gab. Germanismen oder dem Deutschen ähnlich klingende Wörter wurden durch neue Wörter ersetzt.

Die Ersetzung geschah im 19. Jahrhundert im Rahmen der Tschechischen Nationalen Wiedergeburt, unter die auch die Wiedergeburt der zurückgedrängten tschechischen Sprache fällt. Das Ziel war, die tschechische Sprache, die mit vielen Germanismen durchtränkt war, von der deutschen Sprache abzugrenzen.

Eins dieser Kunstwörter ist z.B. divadlo (dt. Theater). Es ist gebildet aus dem Stamm des Wortes dívat (dt. sehen) plus dem Suffix –dlo, das verwendet wird um Räumlichkeit auszudrücken.

Weitere Kunstwörter sind die tschechischen Monatsbezeichnungen. Statt der ursprünglich lateinischen Bezeichnungen heißen die Monate auf Tschechisch: Januarleden, Februarúnor, Märzbřezen, April→duben, Mai→květen, Juni→červen, Juli→červenec, August→srpen, September→září, Oktober→říjen, November→listopad, Dezember→prosinec

Auf Tschechisch etwas bringen

Das deutsche Verb bringen wird im Tschechischen, je nach dem um welche Bewegungsrichtigung es sich handelt, mit drei verschiedenen Verben wiedergegeben. Mit přinést, donést oder odnést.

Přinést verwende ich, wenn ich jemanden bitte mir einen Gegenstand zu bringen:

Přineseš mi cedéčko? (dt. Bringst du mir eine CD?)

Donést verwende ich, wenn ich jemanden auffordere jemandem einen Gegenstand  zu bringen:

Dones to Marii! (dt. Bringe es Maria!)

Odnést verwende ich, wenn ich einen Gegenstand von hier weg bringe:

Odnesu to domů (dt. Ich bringe es nach Hause)

Das Wörterbuch liefert noch eine ganze Reihe möglicher Übersetzungen für bringen. Schauen Sie nach.

Zwetschge

Um die deutsche Sprachkompetenz eines Nichtdeutschen zu testen, wird der eine oder andere Nichtdeutsche aufgefordert das Wort Zwetschge auszusprechen, denn das Wort Zwetschge ist dafür bekannt, dass manche Nichtdeutsche mit der korrekten Aussprache  überfordert sind. Zum Schmunzeln finde ich allerdings, wenn jemand MICH fragt, ob ich das Wort Zwetschge aussprechen kann. Hallo? Wir Tschechen sind doch die Experten im Aussprechen von unaussprechlichen Wörtern und außerdem: Das Wort Zwetschge ist aus dem tschechischen švestka entlehnt worden – da ist es nicht mehr weit zur Zwetschge.

Zur Verwendung von Guten Morgen

Die Begrüßung Guten Morgen (tsch. Dobré ráno/Dobré jitro) wird in Tschechien anders als in Deutschland verwendet.

In Deutschland wird Guten Morgen bekannterweise morgens und vormittags als Grußformel verwendet, unabhängig davon ob man zu Hause ist oder außer Haus.

In Tschechien verwendet man diese Grußformel nur direkt nach dem Aufstehen in eigenen vier Wänden, wenn man seine Verwandte bzw. Mitbewohner begrüßt. Sobald man das Haus verlässt oder zum Beispiel bei einem Amt anruft, muss man zu anderen Grußformeln greifen.

Zu jeder  Tageszeit kann man z.B. Dobrý den (dt. Guten Tag) sagen. Man kann aber auch je nach Tageszeit zu folgenden Alternativen greifen:

Dobré dopoledne (dt. Guten Vormittag)

Dobré poledne (dt. Gute Mittagszeit)

Dobré odpoledne (dt. Guten Nachmitag, bis zur Dämmerung)

Welchen Kasus regieren tschechische Zahlen?

Wenn Sie in Tschechien eine Semmel (tsch. houska) kaufen möchten, dann sagen Sie:

Jednu housku prosím (dt. Eine Semmel bitte).

Die tschechische Semmel ist dabei im Singular Akkusativ, genauso wie im Deutschen.

Wenn Sie zwei, drei oder vier Semmeln kaufen möchten, wird es sprachlich schon schwieriger, denn dafür müssen Sie den Plural Akkusativ von ‚houska‘ kennen.

Dvě/tři/čtyři housky prosím (dt. Zwei/drei/vier Semmeln bitte).

Sobald Sie sich aber fünf oder gar mehr Semmeln zum Frühstück gönnen wollen, werden Ihre tschechischen Sprachkenntnisse richtig gefördert. ‚Houska‘ steht dann nämlich nicht mehr im Akkusativ, sondern im Genitiv!

Pět housek prosím (dt. Fünf Semmeln bitte).

Wenn Sie diese grammatische Herausforderung über die Lippen gebracht haben, haben Sie sich die fünf Semmeln aber auch verdient 🙂